Montag, 30. Januar 2012

Bernd Bitzer: girls game




Diesmal: ein Exkurs außerhalb der Buchhandlung.

Auf Bernd und Marlene, ein und dieselbe Person, stieß ich durch Zufall - eine kleine Lesung in einem Kosmetikstudio. Zwei Stunden hörte ich fasziniert dem Autor zu, der mit einer für mich ganz neuen Form der Selbstwahrnehmung konfrontierte. Bernd ist gerne mal Marlene, aber ebenso gern auch Bernd. Er fühlt sich nicht im falschen Körper geboren, sondern zeigt lebhaftes Interesse für beide Geschlechter. 



Und nun, das Buch.
Insgesamt ein sehr kurzweiliges Lesevergnügen, das kaum länger als die Lesung dauerte. Man merkt natürlich, dass man ein Debüt vor sich hat, doch das schmälert den Respekt für dieses erste literarische Coming-out keineswegs.

Einen chronologischen Handlungsstrang sucht man vergebens, das Buch besteht aus lose aneinandergereihten Einblicken in die unterschiedlichen Welten von Mann und Frau. 

Etwa die Offenbarung, dass eine neue Handtasche dieselben Gefühlstürme wie ein neuer Mercedes auslösen kann. Oder die ersten Erfahrungen mit dem Einparken durch Frauenaugen. Und schließlich die Erkenntnis, dass Brazilian Waxing so garkeine Sonnenseite hat.

Und Bilder ohne Ende, die Bernd und Marlene in einem ganzen Leben zeigen. Denn solange gibt es die beiden tatsächlich schon. Erst in den letzten Jahren gibt es sie auch ganz offiziell.

Enttäuschend mag sein, dass es sehr an der Oberfläche bleibt, auf den ersten Blick hatte ich etwas anderes erwartet. Mehr Tiefgang, mehr Drama. So wenig kann ich mir vorstellen, dass dieser Weg selbst heute in unserer Gesellschaft ganz einfach ist.
Aber die Aussage des Buches ist überraschend heiter. Das Leben ist schön und es muss nicht immer schwer sein. Vielleicht macht gerade das, das Buch zu etwas besonderem.

Mehr von Bernd, und Marlene, gibt es hier.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Lesegebot.

Jetzt wird's aber eng.

Ausgerechnet bei Vergebung hänge ich hinterher. Da muss ich mich jetzt aber ranhalten...
Die nächste Herausforderung wartet schließlich schon auf dem Nachttisch und fixiert mich durch geheimnisvolle Augen. Stark, der Traumdetektiv. Noch so ein Buch, das ich nach vielen Jahren und eigentlich auch Lieblingsbuchstatus, wiederentdecken möchte.

Samstag, 21. Januar 2012

William Boyd: Eines Menschen Herz.





Oh boy! Plötzlich sehe ich ihn überall.
Ein Schritt in die Buchhandlung und schon strahlt William Boyd mich aus jeder Ecke an. Seltsam, dieser Mann hat so einiges produziert und trotzdem stand eine noch vollkommen leere Synapse bereit, als ich ihn vor einigen Wochen vom Wühltisch holte.

Eines Menschen Herz nun, ist also meine erste Erfahrung mit diesem schottischen Autor.

William Boyd schlüpft in die Rolle des Logan Mountstuart und erzählt durch seine Tagebücher ein ganzes Leben. Schon auf den ersten Seiten war auch ich mittendrin im Leben des 17-jährigen Logan, der sich gerade seinen Platz in der Welt mit Mutproben und Mädcheneroberungen suchte.

Er möchte Schriftsteller sein und nach einem mittelmäßigen Studium in Oxford, in dem er sich mehr mit einer Shelley-Biografie beschäftigt als mit seinen Vorlesungen, geht der Weg stetig nach oben. Exzesse mit James Joyce, Ernest Hemingway und skurrile Begegnungen mit Picasso säumen seinen Weg zum hochgelobten Literaten. Er wird zum Kriegskorrespondenten, erlebt erhebende Momente und niederschmetternde Lieben. Er lernt die Frau seines Lebens kennen. Nichts kann Logan Mountstuart mehr aufhalten.

Als er in Kriegsgefangenschaft gerät und für tot gehalten wird, bricht sein Glück. Er kommt zurück und nichts ist mehr, so wie es war.
Jetzt folgten die Kapitel die mich erst von der anfänglichen Begeisterung zurücktreten ließen. Ein tief depressiver, verarmter Erzähler, der ruhelos durch sein Leben wandert. Fast zuviel. Bis sich Logan ein letztes Mal aufrafft und ein neues Leben in Frankreich beginnt.

Da hatte er mich wieder und ließ mich die letzte Seite mit einem warmen Gefühl wie bei Siddharta lesen.

Der Kauf also: eine gute Entscheidung. In Boyds Roman trifft ein wenig von allem aufeinander, ohne dass es absurd wird: Abenteuerroman, Novelle, Entwicklungsroman, Künstlerleben und harte Prosa.

Von allem ein bisschen, von vielem genug. Gerne hätte ich die Zeit verlängert, in der er in unverfälschtem Glück mit Freya und seiner Tochter Stella schwelgte. Aber so ist das im Leben, man kann sich die Tonart oft nicht heraussuchen.

Erst der arrogante, selbstüberzeugte Schnösel, dann der in einer eleganten Welt verlorene Mensch. Logan wächst einem in seiner schroffen Art zu berichten, irgendwie ans Herz, auch wenn man ihn zeitweise den Hasen geben möchte.

Boyds Technik, eine fiktive Autobiografie echt wirken zu lassen, ist raffiniert. Das Buch ist in Tagebücher gegliedert, das Schultagebuch, das Londoner Tagebuch, das Afrikatagebuch usw. Es gibt fehlende, abgebrochene Passagen, recherchiert und aufgefüllt durch den interessierten Herausgeber seiner Tagebücher. Es gibt Parts, die vor Verzweiflung triefen, abgebrochenenes, scheinbar sinnloses Gekritzel. Poetische Ergüsse genauso wie nüchterne, stakkatierte Sätze. So sympathisiert man auch sofort mit Logan, als er am Ende seines Lebens in seine Tagebücher schaut und nicht weiß, wer das war. "Was für ein krankhaftes, melancholisches, verstörtes Wesen mir da entgegentritt. Das soll ich ich gewesen sein?"

Ich schwanke in meiner Empfehlung an euch dennoch.

Weil ich nicht sicher bin, ob Boyd nun mehr Moehringer oder doch mehr Boyle ist. Denn, wie ich neulich lernen musste, gibt es auch hier einen gravierenden Unterschied. Zumindest gibt es Leser, die den einen Schreiber mögen, den anderen hingegen gar nicht. Und auf einmal wurde mir bewusst, dass Geschmack nicht nur gelegentlich differiert, sondern auch differenziert seine Wege gehen kann. Ich muss meine Buchempfehlungsstrategie wohl noch überarbeiten.

Übrigens, ich neige nun doch mehr zum Vergleich mit Boyle, oder eher gesagt, eine Fortführung. Moehringer erzählt autobiografisch über sein eigenes Leben, Boyle erhebt sich zum Autobiograf berüchtigter, historischer Persönlichkeiten und Boyd lässt sich so gar nichts vorschreiben und setzt rein fiktive Personen in den Kosmos unserer Vergangenheit, denen er mit eigenen Erfahrungen Würze verleiht. Zum Beispiel seine Zeit in Oxford, in Afrika und das Verfassen einer Shelley-Biografie.

Irgendwann wird das hier das nächste Boyd-Lesestück.

Dienstag, 17. Januar 2012

Neues Bücherregal gesucht.


Dreifach, vierfach gestapelt, das zweite Bücherregal platzt aus allen Nähten (nicht zu vergessen, die ominöse Bücherkiste auf dem Dachboden). Irgendwann wird es wohl mal Zeit für einen neuen Leserahmen.

Könnte mir vorstellen, unter die Künstler zu gehen und Bücher artgerecht zu arrangieren.
Mit diesem hübschen, runden Ding kommt man mit Bücher hoch hinaus. 
Blöd wird es nur, wenn man gerne mal tiefer graben möchte.

Gesehen bei Cambridge Galleries


Oder eine kleine, visuelle Gedächtnis-, nein Buchstütze.


Kaufen? Hier.


Weihnachten ist zwar schon vorbei, aber...




Noch mehr Bookshelfporn.


Aber im Endeffekt...


Samstag, 14. Januar 2012

Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch.

Bücher zweckentfremden, das geht auf ganz schön viele Arten. 

Ob nun eine Dominopartie starten...


Gefunden via Buchstabensuppe.


...oder die kleinen Talente zu einem Yann Tiersen-angehauchten Sound tanzen zu lassen..



..oder neue Welten darin entdecken wie Guy Lamarée.






Donnerstag, 12. Januar 2012

Ein Tagebuchroman

Kennt ihr diese Tische am Eingang einer jeden Buchhandlung? Völlig überladen, zerwühlt und immer: billig. Vor Monaten hab ich mir einen Roman aus den Mängelexemplaren heraus gegriffen. Der Autor, William Boyd, sagte mir nichts und der Titel - Eines Menschen Herz - noch weniger. Jetzt ist das gute Stück dran und ich muss sagen, ich bin total überrascht, wie wunderbar sich die Geschichte schon auf den ersten 70 Seiten entfaltet und gefangen nimmt. Und das obwohl gar nicht soviel passiert Ich glaube, ich könnte ein neues Lieblingsbuch bekommen.

Sprachliche und inhaltliche Mängel konnte ich bisher auf jeden Fall noch nicht entdecken.

Mittwoch, 11. Januar 2012

Stieg Larsson: Verdammnis





Also Stieg, du hast es tatsächlich geschafft, mich doch noch zu überraschen.

Dies sollte eigentlich eine Rezension über die zwei letzten Larsson-Romane werden, aber meine minutenweise geistig unzurechenbare Wenigkeit hat das fast fertiggelesene Buch am Wochenende bei meiner Familie liegen lassen. Bombenidee.

In dem zweiten Band der Millennium-Reihe richtet er seinen erzählerischen Schweinwerfer auf Lisbeth Salander, Mikael Blomkvist taucht erstmal hinter einer wohlmeinenden, vertrauenserweckenden Fassade ab.
Dafür wird die kleine Anti-Heldin ordentlich durchleuchtet. Man glaubt, sie schon im Epilog vor sich zu haben, als aus ihrer Jugend erzählt wird. Nach und nach kommen immer mehr schockierende Einzelheiten ans Licht, die an einer Stelle sogar darin gipfelten, dass ich mir vor Erstaunen fast den Kiefer ausrenkte. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet und verneige mich fairerweise vor Herrn Larsson.

Mikael und Lisbeth betreten das Buch auf getrennten Wegen. Millennium wird von einem Wirtschaftsjournalisten auf einen brisanten Fall von Mädchenhandel gestoßen, der seine Wurzeln bis tief hinein in die schwedische Gesellschaft schlägt.
Doch kurz vor der Veröffentlichung werden der Journalist und seine Freundin brutal ermordet. Die Tatverdächtige: keine andere als Lisbeth Salander.
Kurz darauf wird auch Nils Bjurman, Lisbeths Betreuer, tot aufgefunden.

Während unsere Heldin als potentielle Mörderin durch das Land gejagt wird, versucht Mikael verzweifelt Kontakt zu ihr aufzunehmen. Er weiß nicht, was in dem Kopf der jungen Frau sie bewogen hat, radikalen Abstand von ihm zu nehmen. Doch er ist von ihrer Unschuld überzeugt und beginnt in ihrer Vergangenheit zu recherchieren.

Wer bist du wirklich, Lisbeth Salander? Und schon bald tauchen erschreckende Details auf, die diese zwischen verängstigter Gewaltbereitschaft und besessener Genialität stehende Frau erklären.

Ein Manko, das mich durch häufige Wiederholung zwischendurch doch entnervt aufseufzen ließ: die inflationäre Nennung von Apple-Produkten und das gewissenhafte Aufzählen aller Einkäufe und der Reihenfolge, in welcher diese anschließend verspeist werden. Stilmittel (dessen Bedeutsamkeit an mir vorübergegangen ist) oder einfach nur Seitenfüller? Man weiß es nicht, tut dem Buch aber auch keinen wirklichen Abbruch.

Was von manchen als in die Unglaubwürdigkeit abdriftender Fauxpas bezeichnet wird und auch mich zwischendurch immer stutzig machte, ist die absolute Unberührbarkeit Lisbeths. Wie ein Wirbelsturm fegt sie durchs Land, legt sich gleichermaßen körperlich und geistig mit jedem an, der ihr in die Quere kommt - und verliert natürlich nie. Der Beweis für Fermats Satz oder ein zur Kampfmaschine mutierter Muskelhüne, ganz gleich,  die zierliche Lisbeth steckt sie alle in die Tasche.

Doch ich muss sagen, dass Stieg Larsson glaubhafte Erklärungen für ihre Wundertaten findet, gut ihre Genialität ist angeboren, doch ihre kämpferische Überlegenheit beruht mehr auf Schnelligkeit und durchdachten Angriffen als auf stupider Muskelkraft.

Meiner Meinung nach, ist das Buch wesentlich besser als das Debüt, Verblendung verblasst beim Lesen zu einer Ouvertüre und ich hatte diesmal beim Lesen der letzten Seite tatsächlich sofort Lust auf das nächste Buch. Ich kann nur hoffen, dass der dritte Band genauso schließt.

Schade nur, dass Stieg Larsson noch vor der Fertigstellung weiterer Bände gestorben ist. Sicherlich hätte auch Mikael noch eine ordentliche Durchleuchtung bekommen. Und ihr wisst ja, stille Wasser sind tief.

Wenn ich bis nächste Woche nicht vor Neugier platze, folgt auch noch die letzte Rezension.

Freitag, 6. Januar 2012

Walter Moers: Die Stadt der träumenden Bücher






Hier kommt es, das letzte Pflichtstück - zwischendurch gelesen, weil Jane Eyre mein Buchprojekt etwas aus dem Takt gebracht hat.

Ein bisschen habe ich ja Angst vorm Sterben. Es könnte ja sein, dass es auf der anderen Seite keine Bücher gibt. Und dann werde ich mich bis in alle Ewigkeiten ärgern, dass ich so einige nicht mehr lesen konnte.
Doch manchmal bedaure ich es fast noch mehr, dass ich so manches Buch nicht noch ein zweites Mal lesen kann.

Das wird mir zumindest bei Der Stadt der träumenden Bücher nicht mehr passieren. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie es mir ein Jemand auf irgendeinem Bahngleis in Deutschland überreicht hat. Und seitdem begleitet es mich, mit all seinen Eselsohren und den nicht ganz so schönen Kaffeeflecken.


Als ich es neulich wieder in der Hand hatte, fiel mir auf, dass es tatsächlich anders ist als das zweite Buch, Das Labyrinth der Träumenden Bücher. Das war besonders leicht und schnell gelesen, der Erstling jedoch hat ordentlich Gehalt.
Es ist so, als würde man Den Herr der Ringe vor Dem kleinen Hobbit lesen. Oder eine hauchfeine Tomatenessenz mit deftiger Linsensuppe vergleichen.
Was jedoch nicht heißt, dass es schwer zu lesen war. Es könnte nur sein, dass man vergisst, zwischendurch Luft zu holen. Intensiv, das ist wohl das richtige Wort, um den literarischen Komplex zu beschreiben, den Walter Moers erschaffen hat.


Worum geht es in dem ersten Teil der noch unvollständigen Trilogie denn nun eigentlich?

Der junge Hildegunst von Mythenmetz, Lindwurm und Poet seines Zeichens, macht sich auf den Weg nach Buchhaim, einem gar mystischen Ort des sowieso schon verwirrend-faszinierenden Zamoniens. Im Gepäck hat er ein kurzes Manuskript, das ihm sein eben verstorbener Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler hinterlassen hat. Und auch dieses kurze Dichtwerk hinterlässt so einiges bei seinen Lesern: Eine ganze Bandbreite an Emotionen wallt in einem auf, Hass, Trauer, Freude, Erleichterung, man empfindet jede nur gekannte Gefühlregung bei der Lektüre der wenigen Worte - denn es handelt sich hier um das wohl größte literarische Werk, das jemals in den Weiten Zamoniens erschaffen wurde. Doch wer ist der Autor?

Hildegunst reist also in die Stadt der Bücher, um dieses außerordentliche Talent ausfindig zu machen.

Und dort geht es hoch her, denn diese Stadt ist alles andere als das verstaubte Hinterkämmerlein eines Buchhändlers. Bücherjäger treiben ihr blutiges Unwesen in den weitverzweigten Katakomben, auf der Suche nach Erstausgaben, die sie zu horrenden Preisen an windige Buchhändler verkaufen.

Natürlich läuft Hildegunst sehr bald dem größten Oberschurken unter den vermeintlich friedliebenden Bibliophilen in die vielen Ärmchen: Phistomefel Smeik, Haifischmade und Oberhaupt der Buchhaimer Unterwelt.

Dieser erkennt das Manuskript wieder und ehe Hildegunst sich versieht, ist er auch schon in den tiefsten Tiefen der Buchhaimer Katakomben vergraben. Und hier beginnt das wahre Abenteuer un der wohl spannendste Teil des Buches.

Auf der Suche nach dem Ausgang und dem Orm begegnet er den vielen unterirdischen Wundern, die denen an der Oberfläche um nichts nachstehen. Und vor allem trifft er auf die Buchlinge, die wohl liebenswertesten Büchernarren. Hier überkam mich der Oy-Reflex, wenn sich einer an den unglaublich putzigen Billy-Bumbler aus Stephen Kings Der Dunkle Turm erinnern mag.

Zu guter Letzt trifft unser ungewollter Held endlich auf den Schattenkönig, dem wohl mysteriösesten Wesen in und um Buchhaim herum. Doch mehr darf ich nicht verraten.


Wen das erste Aufeinandertreffen von Moers und Mythenmetz (den Moers ja nur übersetzt hat) interessiert, der möge sich das äußerst amüsante Interview der beiden von der FAZ durchlesen.

Und schließlich das Phantom Walter Moers, der sich seit Jahren erfolgreich vor jeder neugierigen Linse versteckt:





Mittwoch, 4. Januar 2012

Waaaaas?

Stieg Larsson hat es tatsächlich geschafft, mir mit einer überraschenden Wendung den Kiefer schier auszurenken. Bald mehr.

Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre




Terry Pratchett und mein Kollege sind sich einig: "Genial!" ist Jasper Fforde, von dem ich bislang noch nichts gehört hatte. Bei solchen Gefühlsausbrüchen wurde auch ich neugierig, also ging es dem Fall Jane Eyre direkt nach der Lektüre derselbigen an die Seiten.

Leider dauert es etwas, bis die Besagte endlich auftaucht, und leider nur zu kurz, viel mehr Gewicht wird auf Edward Rochester gelegt. Das ist einer der wenigen Wermutstropfen an meiner neuen Buchentdeckung.

Doch zuerst zur Geschichte:
Thursday Next ist Agentin, und zwar der hinterletzten Special Operations-Einheit, den Literaturagenten (SpecOp-27). Normalerweise drücken diese meist nur den Drehstuhl, um Originalfälschungen zu überprüfen, was, bei aller Liebe zur Literatur, doch gewaltig an das gähnend-langweilige, deutsche Beamtentum erinnert. In den höheren Rängen steppt jedoch der Bär und genau in einen solchen (SpecOp-5) verschlägt es unsere Heldin, als sie zu hochbrisanten Ermittlungen hinzugezogen wird.

Der Grund: Sie ist die einzige Person, die den grundlos Bösen Archeros Hades jemals zu Gesicht bekommen hat, der zur Zeit sein Unwesen im Britischen Königreich treibt. Um ihn identifizieren zu können, wird sie nun bei den Überwachungseinsätzen mitgeschleppt und prompt läuft ihnen der Schuft über den Weg, der gerade erst das Originalmanuskript von Dickens Martin Chuzzlewit entwendet hat und damit die Regierung selbst erpresst.

Und Klappe! würde J.J. Abrams schreien, denn jetzt geht es richtig los. Der heißblütigen Thursday sind Vorschriften nämlich reichlich egal, anstatt Verstärtkung abzuwarten, ergreift sie die Gelegenheit und will den Oberschurken stellen. Doch Literaturfeind Nummer 1 macht es ihr alles andere als leicht und ehe sie sich versieht, hat sie zwei tote Kollegen und von Hades keine Spur.

So alt wie das geschriebene Wort, ist schließlich auch die Vorstellung eines gottgleichen Autors, dessen Werk tatsächlich so eine schöpferische Kraft besitzt, dass die Figuren in unserer Welt auftauchen. Oder wir in ihrer.

Deshalb verwundert es wenig, dass Hades sich die Helden aus der literarischen Klassik zur Geisel nimmt und damit das beste Druckmittel in dieser Gesellschaft hat. Natürlich vergreift er sich an keiner Geringeren als Jane Eyre.

Jasper greift gekonnt eine tatsächlich seltsam anmutende Stelle aus Brontës Werk heraus und nutzt sie, um dem Plot eine neue Wendung zu geben (so wie wir sie nun kennen).
So fragt man sich tatsächlich einen kleinen Moment, ob die ganze, irrwitzige Geschichte nicht tatsächlich wahr sein könnte. Für diese Meisterleistung verneige ich mich um ganze 42 Grad, mein lieber Herr Fforde!

Ich wurde nicht gerade von Lachkrämpfen geschüttelt wie bei Douglas Adams, wenn die dussligen Vogonen poetisch werden oder der manisch-depressive Roboter Marvin mal wieder in eine Sinnkrise stürzt. Trotzdem musste ich immer häufiger schmunzeln und auch meine Augenbrauen hatten einen amüsierten Wellengang.

Zeitsprünge, schwarze Löcher und Laserguns vollenden das Raum-Zeit-Kontinuum des absurd-komödiantischen Science-Fiction-Romans.

Wer Bücher mag, wird dieses Buch lieben. Schließlich sind sie hier das hehre Gut, um das sich ganze Generationen prügeln. So entstehen z.B. bibliophile Sekten, die sich ausschließlich mit der Streitfrage um die wahre Autorenschraft der Shakespeare-Werke beschäftigen (hier gibt es übrigens zum Schluss eine süffisant-komische Erklärung).

Vergessen wir die Impressionisten, hier spielt nur noch die Literatur eine Rolle!

Ist euch eigentlich schonmal aufgefallen, dass Zukunftsromane immer entweder in das unendlich Düstere oder aber gar ins schultzerzuckend Lächerliche abdriften?

Wenn die Apokalypse naht, kann man sich wohl nur auf eine eindeutige Gemütsseite schlagen. Anders erträgt man das Drama ja nicht. Das dürfen wir dieses Jahr dann bis zum 21. Dezember fleißig üben.

Ich für meinen Teil halte mich an Douglas Adams: Macht's gut und danke für den Fisch!

Sonntag, 1. Januar 2012

Charlotte Brontë: Jane Eyre




Jane ist Schuld daran, dass ich meinem Buchprojekt etwas Flexibilität aufzwingen musste. Zwei Wochen statt einer wechselte ich zwischen Thornfield Hall und der Stuttgarter U-Bahn, zwischen dem grimmig-düsteren Edward Rochester und Adventsstimmung. Und musste dafür in der folgenden Woche doppelt so schnell lesen. Aber, es hat sich gelohnt.


In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Gedanke an Geschlechtergleichstellung noch kaum mehr als eine vage Schimäre war, veröffentlichte Currer Bell die Geschichte von Jane Eyre. 


Jane ist nicht besonders hübsch, oder ansehnlich, dazu eine arme Vollwaise und äußerst stur. Weit davon entfernt, eine gute Partie zu werden. Kaum hat sie ihre gequälte Kindheit in der Pflegefamilie überlebt, nimmt sie trotzig das Steuer selbst in die Hand und wird Gouvernante und damit endlich unabhängig. So kommt sie schließlich nach Thornfield Hall und trifft auf Mr. Rochester, die unbändige Grimmigkeit in Person und, wie sich bald herausstellen wird, ihr Schicksal. 
Jane Eyre ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und lässt tief blicken, in das stille Wasser Jane. Äußerlich stoisch, mit einem trockenen Humor gesegnet und sehr geduldig, sieht es innerlich oft ganz anders aus. Bald merkt Jane, dass sie für den viel älteren Edward deutlich mehr empfindet, als man dass in einem Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis erwartet. Die Ränke beginnen. Edward versucht sie eifersüchtig zu machen - was ihm auch gelingt - und nach einigen ordentlichen Wellen steht tatsächlich eine Hochzeit an. Jane, die ihr Glück nicht fassen kann, bleibt bis zur letzten Sekunde misstrauisch und soll damit recht behalten.
Denn vor dem Traualtar muss Edward sein düsteres Geheimnis enthüllen, das dem Buch eine völlig neue Wendung gibt.


Für alle, die Charlottes Werk noch genießen wollen, lege ich jetzt eine Schweigeminute ein. Lest es selber, natürlich ist es für uns abgeklärte 21.-Jahrhundertler teilweise vorhersehbar, aber wir kennen schließlich schon jeden müden Abklatsch dieser schönen Liebesgeschichte aus Hollywood-Plattitüden. Und schließlich ist es doch mehr als eine schnöde Schnulze, erzählt es doch vielmehr auch von einem verstörten, unsicheren Wesen, das zu einer selbstbestimmten, jungen Frau wird.


Und auch wenn das Wort "welche/r/s" inflationär oft vorkommt (pfui!), ist es fast besser geschrieben, als Jane Austens frühere Romane.


Dass sich hinter dem Pseudonym Currer Bell eine Frau verbarg, gab Charlotte Brontë nur kurze Zeit preis, verbarg sich jedoch weiter hinter der männlichen Fassade. Wie die Trapp-Familie des Schreibertums scheinen die drei Schwestern Charlotte, Anne und Emily, die allesamt Weltliteratur hervorbrachten - und sich alle mit Pseudonymen schützten. 

Zu guter Letzt habe ich mal wieder Glück gehabt und es kommt gerade eine Neuverfilmung des besagten Werks auf die Leinwand. Nächste Woche werde ich mir Jane mal in einer ganz neumodischen Version zu Gemüte führen.