Jetzt hat mich die Chronik endlich so richtig gepackt.
Die ersten drei Bücher las ich mit der angebrachten Skepsis einem angepriesenen Tolkien-Nachfolger gegenüber, überlegt und teilweise auch etwas erleichtert, wenn es im Vergleich zu anderen Kultwerken erdverbundener und unspektakulärer blieb. Kein Fabelwesenfirlefanz, keine Zaubereien oder unmöglich aneckende Charaktere - total pragmatisch und gerade deshalb auch noch nicht so groß. Dachte ich zunächst.
Aber der vierte Band hat mich (nach einem schwächeren Band 3) endgütlig auf die Seite der Chroniken gezogen und ich reihe mich nun ganz freiwillig bei den George R.R. Martin-Fans ein.
Es herrscht Krieg im Königreich Westeros. Der stachelige Eiserne Thron ist es, nach dem die verschiedenen Parteien gieren. Zuerst treten nur vier Ursurpatoren offiziell auf.
Der jüngste im Bund ist Robb Stark. Als ältester Sohn von Eddard Stark, der Hand des letzten Königs, mit einer Grundehrlichkeit und eisernen Moral hat er alle Sympathien des Lesers auf seiner Seite. Doch Robb ist jung und noch unerfahren, keine besonders guten Voraussetzung für den Titelanspruch auf "Den König des Nordens".
Eine ganz andere, unfaire Partie spielen die Brüder Stannis und Renly Baratheon, die unterschiedlicher nicht sein können. Stannis, der als ältester Bruder des toten Königs, die Krone für sich beansprucht, ist ein Krieger, wie er im Buche steht. Der jüngste Bruder Renly flirtet viel lieber mit dem bunten Leben als dem schmutzigen Schlachtfeld. Und hat dabei eine Begeisterungsfähigkeit, die Stannis als König fehlen würde.
Doch eines fehlt beiden Brüdern: Weisheit. Statt eine Vereinigung ihrer Stärken anzustreben, gehen sie den Weg des Egomanen und sehen sich lieber allein auf dem kühlen Sitz.
Der Eiserne Thron ist jedoch keineswegs kalt. Er wird zu diesem Zeitpunkt von dem hochgeborenen und hoch-arroganten Königssohn, Joffrey Lennister, gewärmt. Bislang ist er eine der wenigen Figuren, für die man nicht die geringste Sympathie empfinden kann. Denn nun hat Joffrey die Schwestern Arya und Sansa Stark in seinen manikürten Klauen und lässt sie seine Machtgier nur zu deutlich und körperlich spüren. Doch die kleine, wilde Arya entwindet sich schnell dem unerbittlichen Griff und flieht in das ungewisse, von Schlachten geschüttelte Land hinaus. Nur heim nach Winterfell ist ihr Ziel, ohne zu wissen, was sie dort erwarten wird.
Im Hintergrund flicht sich sich Daenerys Targaryen, die letzte Nachfahrin der Drachenkönige, in den Kampf um die Krone ein, ohne das jemand in Westeros davon ahnt.
Genausowenig wie von den ersten drei Drachen, die sie nach unzähligen Jahren zum Leben erweckt hat und als ihr Kinder in den Kampf führt.
Ganz reelle Gefahren bauen sich auch von unerwarteter Seite auf. So begehrt auch das Mündel von Eddard Stark, Theon Graufreud, auf und verlangt nach der "Krone des Nordens".
Einige Abschnitte, und schon fällt auf, dass es von Charakteren und verwirrenden Verbindungen nur so wimmelt. Doch langsam findet man sich ein, selbst wenn man nicht ständig in den Aufstellungen der Königshäusern oder zwischen den Karten hin- und herblättert. Auch hier bin ich wieder von Martins Stilmittel begeistert, die Geschichte immer aus der Sicht einer anderen Person weiterzuerzählen. Dabei lässt es sich natürlich nicht vermeiden, dass an manchen Stellen Ungeduld aufkommt, wenn man wissen möchte, wie es weitergeht, aber von einem neuen Erzählstrang unterbrochen wird. Ebenso überlappen sich die Stränge zeitlich, aber auch das ist keineswegs negativ, sondern gibt dem Epos eine komplexe Dichte, verfeinert die Geschichte ganz meisterhaft.
Auch Jaime, der Königsmörder genannt, spricht nun selbst, doch erst in Band 5 wird er wirklich wichtige Einzelheiten aus seiner Geschichte offenbaren, die seine Hochglanzfassade in einem anderen Licht erscheinen lassen werden.
Und dann ist da noch der Gnom, Tyrion Lennister, der, obwohl er auf der Seite seiner Familie steht, in seinem Wesen seltsam parteilos wirkt. Unmenschlich von Gestalt ist er menschlicher als seine ganze Sippe zusammengenommen, eine der interessantesten Figuren in der Chronik.
Es ist schwierig, einen Schlusssatz für eine Geschichte zu finden, die hier noch lange nicht am Ende ist. Doch kurzum, mein Fazit: Lesen, lesen, lesen!
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