Donnerstag, 22. Dezember 2011

James Sallis: Drive







Wer jetzt meint, die Lesebestie habe meine Disziplin genüsslich verschlungen, irrt sich. Zumindest teilweise, denn das Lesen war nicht das Problem, aber beim Rezensieren haperte es gewaltig. Daher folgen jetzt in Kürze, ganze fünf Rezensionen aufeinander. Ich sag mal: geschenkt! Jetzt, wo doch bald Weihnachten ist..

Den Auftakt macht ein junger Mann, der diesen Monat in den deutschen Kinos aufschlagen und außerdem noch als neuer Alain Delon gehandelt wird. Die Rede ist von Ryan Gosling, der den "Driver" verkörpert. Nein, wir stürzen uns jetzt nicht Hals über Kopf in eine Filmrezension (nur ein wenig), aber tatsächlich war es der Film, der mich ursprünglich in Fahrt brachte. In einem französischen Kino vor nicht allzu langer Zeit saß ich mit offenem Mund und gebanntem Blick 100 Minuten vor der Leinwand und verfolgte den Helden, der sich selber nur, den Driver nannte. Fiel in der Originalversion natürlich nicht auf, beim Lesen des deutschen Titels stolperte ich aber jedesmal darüber. Natürlich klingt "der Fahrer" nicht sonderlich eloquent, aber seinen Protagonisten "den Driver" zu nennen, das mutet ja fast nach amerikanischem Trailer Park-TV an. 
Aber soweit war ich dort im dämmrigen Leinwandlicht noch garnicht. Hier war ich noch ziemlich begeistert von Goslings kleiner Meisterleistung, mit wenigen Worten viel zu sagen und eine interessante Figur zu stricken. Meine Brüder fanden den mangelnden Dialog nichtssagend und die Stuntszenen zu kurz geraten. Nun ja, Männern darf man eben keinen Actionfilm vorhalten und dann eine schmale Novelle bieten, die sich eher zwischen den Zeilen abspielt. Ich hoffe mal, die werten Herren verzeihen mir diesen Sidekick. (nur meine gute Erziehung verbietet es mir, an dieser Stelle einen fett grinsenden Smiley einzufügen)


Der Film machte tatsächlich Lust auf mehr, ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass da noch eine Menge Hintergrundmaterial literarisch verarbeitet sein müsste. 
Kaum hielt ich das Ursprungswerk in den Händen, war sofort klar: auf den wenigen Seiten muss ganz schön viel passieren. Das ist James Sallis tatsächlich gelungen: Wie ein Gewehrfeuer prasselt ein Satz nach dem anderen herunter und ehe man sich versieht, hat man das dünne Buch auch schon durch.

Die ganze Geschichte passt auf ein Reiskorn: Einsamer Held gerät in ein Komplott und übt Stück für Stück Rache an den bösen Buben. Daraufhin wird er zu einer mordenden Lucky Strike-Version, die ihr ultimatives Ende in der Verfilmung seines Lebens mündet. Stelle mir gerade vor, dass er möglicherweise im Kino neben mir saß und skeptisch auf seine Leinwandwerdung schaute.


Er ist ja auch nur so reingeraten. Neben seiner tages- und scheinwerferlichttauglichen Tätigkeit als Stuntfahrer ist er auch below the line aktiv: als Fluchtwagenfahrer. Einmal geht es jedoch schief, der einsame Cowboy reagiert instinktiv und plötzlich sitzt er mit drei Leichen und einem Haufen Geld da.

Trotzdem war ich deutlich irritiert. Was vor der Kamera passiert war, war klar. Der Film sortiert das Buch, nicht nur chronologisch, sondern verpasst ihm auch eine Spannungskurve, wo vorher nur Ausschläge nach oben waren. Packt es in eine emotionale Hollywood-Klammer. Auf die ich gleich angesprungen bin, wie ich gestehen muss. Wenn auch Gosling mit seinem Buchstabenvorbild so manches gemeinsam hat, ist er doch nicht so emotional eiskalt und furchtbar nüchtern. Ja, man beginnt sogar, ihn irgendwie gut zu leiden, möchte ihn fast für einen Vertreter von Moral und eines sehr eigenen Gesetzes handeln. 
Nun weiß ich auf einmal auch, warum eine Frau, ein Kind und eine Dreiecksgeschichte im Film deutlich aufgeblähter und streckenweise neu erfunden auftauchen. Irgendwie musste man den Lonesome Rider sympathisch machen.


Das Buch ist deutlich nüchterner und verrät nur äußerst wenig über Drivers Hintergründe. Wie kann ein so junger Mann so abgebrüht und durchstrukturiert sein? Weil seine Mutter dem Vater am Frühstückstisch das Ohr wegsäbelte. Ja, das könnte sein! Und was noch? Nichts mehr. Es kommt einfach nichts mehr. 


Dafür sitzen die Sätze präzise wie ein Schuss zwischen die Augen. Frage am Rande: Wann hat der gute Mann eigentlich seine Scharfschützenausbildung absolviert? Oder ist er einfach nur intelligent und legt deshalb die lokale Mafia so locker aufs Kreuz? Man muss zugeben, besonders schlau, stehen die bewehrten Italiener aber auch nicht da. Schließlich bietet er ihnen auch an, die Viertelmillion, die sich nun auf einmal in seinem Besitz befindet, einfach so zurückzugeben. Ist wohl nicht so üblich. Und das verwirrt die Mafiabosse, die kurz vor einem Burn-out stehen, ordentlich.
So sehr, dass sie ihm lieber systematisch die Hölle heißmachen. Das gefällt wiederum dem Driver nicht und kurzerhand dreht er den Spieß um.


Ihr habt es ja so gewollt, sagt sein trotziger Blick.

Gut, man mag sagen, das Buch spricht schon zwischen den Zeilen tausend Bände und es ist auch eine hehre Kunst mit wenigen Worten eine Menge zu sagen. Aber welche Leistung erbringt der Autor eigentlich, wenn ich mir die ganze Geschichte selber zusammen spinnen muss? Es ist, als würde ich einen Dalí betrachten. Reininterpretieren kann man in diese präzise Unbestimmtheit ganz schön viel.

Um zum Abspann zu kommen. Das Buch ist, meiner Meinung nach, hochkonzentriert zu genießen, um die zeitlichen Vor- und Rücksprünge und die dicht gedrängten Handlungsstränge zu entwirren. Der Film hat mir diesmal besser gefallen und am liebsten würde ich ihn mir gleich nochmal im Autokino anschauen. Aber vielleicht finde ich auch Ryan Gosling einfach zu heiß. Hach.














Keine Kommentare: